Um einen Platz in einem Aufsichtsrat kann und sollte man sich nicht bewerben. In ein Aufsichtsgremium wird man nur bei ausreichender fachlicher und persönlicher Qualifikation berufen. Losgelöst von allen eigenen fachlichen Qualifikations- und persönlichen Kompetenzvoraussetzungsfragen muss sich aber am Anfang jeder potenzielle Kandidat die zentrale Frage stellen: ‚Will ich wirklich Beirat oder Aufsichtsrat werden?‘

In meinem Junibeitrag habe ich die beiden Detail-Motivations-Fragen Warum und Wo will ich Aufsichtsrat werden? etwas weitergehend beleuchtet.

In diesem Blogbeitrag werden zwei weitere Detail-Motivations-Fragen (wann und was) weiter erläutert um jedem Fragestellenden eigene ehrliche Antworten finden zu lassen, die auch abstimmbar mit seinen bisherigen Fähigkeiten, Erfahrungen und seinen Lebensumständen sind.

Wann will ich Beirat oder Aufsichtsrat werden?

Wann habe ich wie viel Zeit für diese arbeitsintensive Verantwortung? Wie schnell soll es mit der Übernahme eines Mandats gehen? Habe ich noch ausreichend Lebens- und Schaffenszeit?

Sehr oft dauert der Mandatssuchungs- und Mandatsfindungs-Prozess zum Beirat oder Aufsichtsrat. 12 bis 24 Monate sind in diesem Zusammenhang eher als ein kurzer Zeitraum zu erwarten. Selbst der finale ‚Bewerbungsprozess’ benötigt seine Zeit: Befragung durch Headhunter, intensive Gespräche mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsgremiums, mit dem Präsidial- oder Nominierungsausschuss. Wenn beispielsweise ein Kandidat oder eine Kandidatin bald nach Auslaufen der operativen Berufskarriere ein Mandat anstrebt, sollten schon rechtzeitig, während der letzten aktiven Berufsjahre, entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden.

Eine angedeutete Berufung zum Beirat oder Aufsichtsrat durch fremde Dritte führt auch nicht immer zwangsläufig zu weiteren Sondierungsgesprächen bzw. einer Mandatierung. Oft werden nur unverbindliche Gespräche mit großem zeitlichem Vorlauf geführt.

Darüber hinaus ist zu bedenken, dass nach dem Ausscheiden aus operativen Verantwortlichkeiten sich das persönliche Netzwerk in der Regel schnell verkleinert. Viele menschliche und geschäftliche Beziehungen sind oft an eine Funktion und/oder Organisation gebunden und lösen sich bei Verlust dieser zügig auf. Demzufolge sollten diese Kontakte und Möglichkeiten während der aktiven Berufszeit intensiv gepflegt und auf zukünftige Fragestellungen hin überprüft und evtl. neu intensiviert werden.

Auch nicht jede mögliche Berufung bzw. nicht jedes mögliche Mandat kann passend sein im Abgleich mit den persönlichen Kompetenzen. Auch gut vernetzte Persönlichkeiten benötigen Zeit, bis sich die richtige Opportunität auftut.

Diese Zeit kann aber sinnvoll genutzt werden zur ehrlichen und kritischen Beantwortung der Kernfragen aller Fragen:

Was habe ich als Beirat oder Aufsichtsrat Besonderes zu bieten?

Durch die in der Regel mittelständischen Strukturen in der deutschen Wirtschaft existieren noch begrenzte Erfahrungen im Bereich von Corporate Governance und Unternehmensaufsicht. Daher sind zahlreiche Aufsichtsgremien eher beratende als aktienrechtlich geprägte Gremien, mit typischen Defiziten in der Zusammensetzung und der effektiven und effizienten Zusammenarbeit.

Neue MitgliederInnen mit komplementären und besonderen Fähigkeiten und Qualifikationen werden eher gesucht als das Mittelmaß. Sogenannte ‚ergänzende’ außergewöhnliche Persönlichkeiten im Hinblick auf Branchen- und Markterfahrung, Alter, Geschlecht, berufliche Herkunft – funktionale Schwerpunkte sind eher gefragt als Allrounder und Generalisten.

Daher sollten Sie sich die Frage stellen: Was sind meine fachlichen und persönlichen Aufsichts-Kompetenzen? Worin besteht meine Rolle und mein eigener Leistungsbeitrag für das Aufsichtsgremium und das zu überwachende und zu beratende Unternehmen?

Wo habe ich mich bisher mit meinen fachlichen und unternehmerischen Fähigkeiten als State-of-the-Art qualifiziert? Was sind meine konkreten USPs (Unique Selling Point), die mich aus der Masse der Kandidaten herausheben? Welchem Gremium genau kann meine Expertise einen konkreten Mehrwert bringen?

Ein Aufsichtsgremium setzt sich aus einer einzigartigen Konstellation von Persönlichkeiten und deren Erfahrungen zusammen. Insofern ist auch der Kandidat/ die Kandidatin gefordert einzuschätzen, ob er in dieser Atmosphäre Höchstleistungen bringen kann. Die Wirkung zeigt sich insbesondere in kritischen Zeiten.

Wenn Sie immer noch Beirat oder Aufsichtsrat werden wollen, sind weitere Kernfragen zu stellen:

  1. Wie will ich als zukünftiger Beirat oder Aufsichtsrat auftreten?
  2. Wer wird mich bei meinem Anliegen unterstützen?

Diese und weitere Beantwortungshilfen für ehrliche Antworten finden Sie im folgenden Beitrag in den nächsten Monaten hier im Brainloop Blog.

 

Der Autor: Rudolf X. Ruter

Rudolf X. Ruter ist Experte für Corporate Governance und Nachhaltigkeit, Buchautor und Mitglied in diversen Aufsichtsgremien. Er war Gesellschafter und Geschäftsführer bei Arthur Andersen und baute als Partner bei Ernst & Young den Geschäftsbereich Nachhaltigkeit in Deutschland auf. www.ruter.de

Mit Plan zum Erfolg

Das Buch von Herrn Ruter bietet einen umfassenden Einblick in das Geschäft von Aufsichtsräten und Beiräten und deren soziokulturellem Umfeld. Ruter vermittelt schonungslos, was einen guten Kandidaten ausmacht und was nicht. Das beinhaltet auch die Aufforderung, sich eine Reihe von Fragen in Form einer Checklist zu stellen. So simpel die Methode, so sehr eröffnet sich dem Leser die Erfahrung und Sachkenntnis von Rudolf Ruter – für den Leser ein unglaublicher Gewinn.


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