Während Vorstände mit dem Krisenmanagement beschäftigt sind, sollten Aufsichtsräte gerade jetzt den Blick nach vorn richten: Was bedeuten Sparprogramme für Renommée und Unternehmenskultur – und wie wird sich die Branche verändern?

Auch in den Chefetagen der Wirtschaft herrscht seit einigen Wochen Ausnahmezustand: Vorstände müssen dafür sorgen, dass möglichst viele Angestellte arbeiten können. Sie müssen analysieren, welche Umsatzeinbußen drohen und wie lange die Liquidität reicht. Sie müssen Kosten senken, etwa durch Kurzarbeit, Steuer- oder Mietstundungen. Und sie müssen häufig Notkredite oder Soforthilfen beantragen, um verbleibende Lücken zu schließen.

Ein straffes Programm, bei dem Manches zu kurz kommt – nicht nur wegen begrenzter Leistungskapazitäten, sondern bisweilen auch aus psychologischen Gründen. „Ab und zu verlieben wir uns zu sehr ins Krisenmanagement, denn da ist es angenehm, keine langfristigen Entscheidungen treffen zu müssen“, warnt Haniel-Chef Thomas Schmidt.

In der Corona-Krise sind deshalb auch die Aufsichtsräte besonders gefragt, und zwar auf zwei Ebenen. Erstens: Sie müssen hinterfragen, welche langfristigen Nebenwirkungen eilig angeschobene Spar- und Liquiditätsprogramme haben. Zweitens: Aufsichtsräte sollten sich intensiv mit der Frage befassen, wie es nach der Krise weitergeht. Herrscht bald wieder „Business as usual“? Oder wird die Corona-Pandemie Wirtschaft und Gesellschaft tiefgreifend verändern – und damit auch die jeweilige Branche?

Verärgerte Kunden, enttäuschte Mitarbeiter

Zunächst zu den Nebenwirkungen von Notprogrammen: Der Reflex, juristische Spielräume auszuloten und auszureizen, ist nachvollziehbar, aber gefährlich. Denn kurzfristig positiven Effekten stehen oft erhebliche Nachteile gegenüber, die Vorstände im Eifer des Gefechts übersehen oder unterschätzen: Wer jetzt Rechnungen nicht bezahlt, gefährdet Partnerschaften mit Lieferanten. Wer Kunden Kulanz verweigert, verspielt Vertrauen. Und wer Mitarbeiter schlecht behandelt, sollte nicht hoffen, dass sie motiviert zurückkehren.

„Menschen, die jetzt noch in erster Linie um ihre Gesundheit oder ihren Arbeitsplatz bangen, werden sich rückblickend fragen, wie hat sich eigentlich mein Arbeitgeber, wie hat sich die gesamte Wirtschaft verhalten“, warnt das Handelsblatt.

Sicher: Wenn Entscheider mit dem Rücken zur Wand stehen, bleibt wenig Spielraum. Aber es ist jetzt Aufgabe und Verantwortung der Aufsichtsräte, nachzuhaken und das Augenmerk auf die langfristigen Folgen von Entscheidungen zu lenken. Denn Unternehmen, die in der Krise das Vertrauen von Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten verspielen, haben es danach umso schwerer.

Besonders groß ist die Gefahr eines Reputationsverlustes, wenn Aktionäre gepämpert werden. Denn wer Dividenden zahlt, obwohl er Mitarbeiter in Kurzarbeit schickt, Geschäftspartner zu Stundungen drängt oder Staatshilfe beantragt, zeigt damit, dass er noch nicht im Stakeholder-Value-Zeitalter angekommen ist (obwohl sich der Trend spätestens seit der Finanzkrise abgezeichnet hat).

Wie geht’s nach der Krise weiter?

Damit wären wir bei der zweiten Ebene – langfristigen Entwicklungen und deren Folgen für Unternehmen und Branchen. Denn die Corona-Krise hat zweifellos das Potenzial, gesellschaftliche und wirtschaftliche Trends umzukehren oder zu verschärfen (oder völlig neue auszulösen).
Entscheider müssen deshalb möglichst früh eine Vorstellung entwickeln, ob und inwieweit sich das Verhalten ihrer Kunden ändert – und welche Chancen und Risiken das für ihr Unternehmen birgt. Manches lässt sich derzeit bereits absehen, zum Beispiel ein Rückgang der Geschäftsreisen zugunsten von Home-Office und Online-Konferenzen. Und De-Globalisierungstendenzen könnten sich genauso verstärken wie der geopolitische Systemwettbewerb,

Aber seien wir ehrlich: Für fundierte Antworten ist es zu früh. Das gilt aber nicht für Fragen – im Gegenteil: In der Corona-Krise ist es wichtiger denn je, dass Aufsichtsräte sich selbst und andere fragen, wie es weitergehen könnte. Und dass sie Experten und natürlich den Vorständen unvoreingenommen zuhören und diskutieren.

Denn auf diese Weise können sie erst ein Gespür entwickeln – und dann irgendwann Szenarien entwerfen. Visionen dürfen Aufsichtsräte dagegen getrost der Armada selbsternannter Vordenker überlassen, die derzeit um den Titel der steilsten These für die Nach-Corona-Zeit ringt.


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