Immer mehr Entscheider diskutieren im Zuge der digitalen Transformation auch über gesellschaftsrechtliche Veränderungen sowie über den Vorschlag einer neuen Rechtsform „Verantwortungseigentum.“  Auch Aufsichtsräte sollten diese Debatte führen.

 

Stiftung Verantwortungseigentum – der richtige Weg?

Der Vorschlag hat im Oktober hohe Wellen geschlagen: Auf der einen Seite unterstützen zahlreiche Unternehmer, Ökonomen und Aufsichtsräte den Aufruf der „Stiftung Verantwortungseigentum“, eine neue Rechtsform im Gesetz zu etablieren. Ihnen gefällt die Idee, dass Unternehmen im „Verantwortungseigentum“ quasi sich selbst gehören würden und niemand Zugriff auf Firmenvermögen und Gewinne hätte.

Das sei ein Signal gegen kurzfristige Gewinnmaximierung und eine „Stärkung der Sozialen Marktwirtschaft“, hieß es. Auf der anderen Seite verliehen Kritiker ihrer Befürchtung Ausdruck, dass marktwirtschaftliche Prinzipien unter die Räder kommen. Und aus Verantwortungseigentum irgendwann Volkseigentum wird.

Zudem sahen sich manche Familienunternehmer durch die Wortwahl diskreditiert – sie suggeriere, dass andere Unternehmen nicht verantwortungsbewusst geführt würden, lautete ein Kritikpunkt.

Wie auch immer man zum „Verantwortungseigentum“ steht: Die emotionale Debatte zeigt, dass sich immer mehr Entscheider mit der Frage befassen, ob die Rechtsform ihres Unternehmens noch zu den aktuellen Herausforderungen und neuen Geschäftsmodellen passt. Oder braucht es Veränderungen, um den rasanten technologischen und gesellschaftlichen Wandel zu meistern und die digitale Transformation zum Erfolg zu führen?

 

„Delisting“ als Vorstufe zum Rechtsformwechsel?

Immer mehr Vorstände und Aufsichtsräte beantworten diese Frage mit „Ja“. Das äußert sich bisher zwar noch nicht in massenhaften Rechtsformwechseln, aber in Form von immer mehr Delistings: Zahlreiche Unternehmen haben der Börse in den vergangenen Monaten und Jahren den Rücken gekehrt – und dies keineswegs nur mit dem bürokratischen Aufwand begründet. Man brauche jetzt Zeit für die digitale Transformation, hieß es. Hoher Druck von Investoren sei da kontraproduktiv.

Das illustriert, dass es in vielen Fällen gute Gründe für Veränderungen gibt, sei es in Form eines Delistings oder eines Rechtsformwechsel. Aufsichtsräte sollten deshalb ergebnisoffene Diskussionen über Börsennotierungen und alternative Rechtsformen fördern. Zu oft gelten diese Parameter als gesetzt, obwohl sich fast alles andere ändert – bis hin zum Geschäftsmodell. Auch hier ist deshalb jetzt „out-of-the-box“-Denken gefragt.

Allerdings gilt es bei solchen Debatten, aktuelle Entwicklungen zu beobachten. So besteht die Chance, dass die Börse wieder attraktiver für langfristig orientierte Unternehmer wird. Denn die neuen  Regelungen könnten ein erster Schritt sein, um langfristiges Denken an der Börse zu fördern und fordernde Investoren auszubremsen. Meine persönliche Einschätzung hierzu, habe ich in diesem Artikel abgegeben.

Wichtig wäre dazu vor allem, Aufsichtsräte weiter zu stärken – zum Beispiel in Form einer klaren Vorgabe, zur Unabhängigkeit. Denn dadurch könnten sich Gremien gegen aktivistische Investoren stellen, denen es ums schnelle Geld geht (und nicht ums Unternehmen).

 

Modern Governance statt Schnappatmung

Unabhängig davon würde ich es begrüßen, wenn Unternehmen (ob börsennotiert oder nicht) mehr Alternativen bei der Auswahl der Rechtsform hätten: Die „GmbH in Verantwortungseigentum“ wäre eine spannende Option, die das Stiftungsmodell für Mittelständler und Startups öffnen würde. Bis dato ist das allerdings wegen des komplexen Stiftungsrechts in aller Regel keine Option.

Letztlich laufen beide Konstellationen auf selbe hinaus: Mangels klassischer Anteilseigner steht das Wohl des Unternehmens automatisch im Zentrum – und nicht das Interesse Einzelner.

Das Verantwortungseigentum wäre damit de facto die konsequente Weiterentwicklung eines zentralen Corporate-Governance-Prinzips. Und es wäre eine zukunftsträchtige Innovation aus der Heimat der GmbH und der Sozialen Marktwirtschaft.


Board,  Gastautoren,  Good Governance


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